Infekte mit Antibiotika behandeln?
Der Frühling steht vor der Tür, und doch ist aktuell immer noch Erkältungszeit. In diesem Jahr fallen die Infekte offenbar besonders langwierig aus. Manchmal werden zur Behandlung Antibiotika verschrieben – aus meiner Sicht viel zu oft. Das liegt allerdings auch an einer erhöhten aktiven Nachfrage seitens der Betroffenen.

„Jetzt brauche ich mal was Richtiges gegen meinen Husten. Die Hausmittel helfen nicht.“
Solche Sätze höre ich manchmal von Patienten, und damit gemeint ist oft die Frage nach einem Antibiotikum. Doch warum ist dieser Wunsch meistens falsch?
Wie wirken Antibiotika?
Ein Antibiotikum richtet sich, wie der Name sagt, gegen das Leben: Anti = Gegen und Bios = Leben. Diese Medikamente töten also Leben ab, in der Regel das Leben von Bakterien, dazu wurden sie entwickelt. Bakterien sind einzellige Lebewesen mit einem einzelnen Zellkern, dem Zytoplasma (das ist die flüssige Substanz) und einer Zellwand. Genau diese wird durch Antibiotika zerstört. So können sich die Bakterien nicht weiter teilen und vermehren.
Manche Antibiotika wirken auch auf den Stoffwechsel der Bakterien ein und hemmen so ihr Wachstum. Im Endeffekt sterben die Bakterien ab (bakterizide Wirkung) oder ihr Wachstum wird gehemmt (bakteriostatische Wirkung). So werden wir schneller wieder gesund, wenn uns Bakterien krank gemacht haben. Aber das funktioniert eben nur dann, wenn die Ursache für eine Erkrankung tatsächlich eine Infektion durch Bakterien ist.
Bei Virus-Infekten richten Antibiotika eher Schaden an
Die meisten hier in unserer Gegend verbreiteten Infekte, etwa die grippalen Infekte oder auch Magen-Darm-Infekte, sind aber durch Viren bedingt. Diese haben keine Zellwand und keinen eigenen Stoffwechsel. Das heißt, ein Antibiotikum kann hier nicht wirken. Viel schlimmer: Es kann sogar schaden. Auf zweifache Weise:
Erstens werden durch Antibiotika auch „gute“ Bakterien zerstört, die massenhaft in unserem Darm leben und für unser Leben überaus wichtig sind, beispielsweise auch für unser Immunsystem und damit die Abwehr von krank machenden Bakterien und Viren.
Zweitens haben Bakterien eine sehr kurze Generationszeit und können sich durch Änderung ihrer Genetik schnell an neue Bedingungen anpassen, auch an das Vorhandensein eines Antibiotikums. Es entwickeln sich Bakterien, die gegenüber dem Antibiotikum resistent sind. Das bedeutet: Das Antibiotikum wird mit der Zeit wirkungslos. Diese Resistenzen sind ein riesiges Problem in der Medizin.
Viele Menschen sterben, weil sie an einer bakteriellen Infektion erkrankt sind mit Bakterien, die resistent gegen die bekannten Antibiotika sind. Es findet sich einfach kein wirksames Antibiotikum mehr. Und die Entwicklung solcher resistenten Bakterien wird durch jeden Einsatz von Antibiotika ein kleines Stückchen gefördert.
Antibiotika nur in dafür vorgesehenen Fällen nutzen
Der Einsatz eines Antibiotikums muss also sehr sorgfältig abgewogen werden. Das erfordert viel ärztliches Wissen und Erfahrung. Daher sind diese Medikamente in Deutschland rezeptpflichtig und dürfen nur von Ärzten verordnet werden.
Keineswegs sollten sie bei grippalen Infekten nach dem Motto „Frau/Herr Doktor, jetzt brauche ich mal was Richtiges“ eingenommen werden. Überlassen und besprechen Sie das mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin. Fragen Sie ruhig kritisch nach, ob ein Antibiotikum wirklich hilfreich ist.
Natürlich ist die Einnahme eines Antibiotikums in bestimmten Fällen dringend notwendig und kann Leben retten. Es gibt durchaus auch Kriterien, die für eine bakterielle Ursache einer Infektionskrankheit sprechen. So kann es beispielsweise im Verlauf einer Virus-Infektion zu einer bakteriellen Superinfektion kommen. Das heißt, infolge der Schwächung durch die Virusinfektion vermehren sich dann im Verlauf auch Bakterien.
Ein typisches Beispiel ist ein grippaler Infekt, der nicht auskuriert wird und im Verlauf zu einer bakteriellen Bronchitis oder Lungenentzündung führt. Diese muss dann mit einem Antibiotikum behandelt werden, auch wenn der Auslöser ganz am Anfang mal ein Virus war.
Klingt kompliziert? Ist es auch in vielen Fällen. Die korrekte Behandlung von Infektionskrankheiten gehört mit zu den größten Herausforderungen des ärztlichen Berufs. Das gilt für mich jedenfalls auch nach mehr als 30 Berufsjahren noch. Im Zweifel also lieber einmal mehr den Arzt konsultieren und eine abgewogene Entscheidung treffen.
Wenn Sie Fragen haben oder unsicher sind, sprechen Sie uns gerne jederzeit an.